NOMV (Not One More Vet)

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Nicht noch ein Tierarzt…aus aktuellem Anlass

 

„Wow, du bist Tierärztin, was für ein schöner Beruf. Den hast du bestimmt aus Tierliebe gemacht, oder?“ Von wegen…

Vielleicht war die ursprüngliche Motivation mit Tieren zu arbeiten, medizinisches Interesse, kranken Tieren zu helfen etc. Bestimmt nicht reine Tierliebe.

 

So ein Studium kostet Zeit und Geld, das Praxisinventar wird oft auf Kredit gekauft, die laufenden monatlichen Kosten bewegen sich in Bereichen, die sich Tierbesitzer nicht vorstellen können – auch ohne eigene schulmedizinische Praxis. Ist man angestellt, wird man meist unterbezahlt. Dennoch bekommen wir oft, sehr oft sogar, gesagt, wie unverschämt teuer wir seien, Zuschläge im Notdienst seien eine Frechheit, geschweige denn, dass nie wer erreichbar ist, wenn man einen Notfall hat.

Für das Tier wollen viele nichts ausgeben, fahren aber neue Autos, haben neue Handys, fliegen auf Luxusurlaub usw. Was sich viele meiner KollegInnen in ihrer Ordination von Tierbesitzern bieten lassen müssen, geht auf keine Kuhhaut mehr… Rechnungen zu bezahlen, ist offenbar auch aus der Mode bekommen. Übernimmt das Inkasso, hat man den Kunden dann meist los. Dazu kommen Unmengen an negativen Rezensionen im Netz bis hin zur Rufschädigung, gegen die man kaum mehr ankommt.

 

Im Pandemiejahr 2020/21 haben sich mehr KollegInnen das Leben genommen, als ich in der Zeit seit Studienbeginn bis davor (und das waren etwa 20 Jahre!) mitbekommen habe. Die Berufsgruppe der Tierärzte zählt zu jenen mit den höchsten Selbstmordraten. Das Logo „NOMV“, das viele aus Solidarität mit KollegInnen und deren Familien vorübergehend wählen, soll auf die Situation aufmerksam machen.

Bei Frauen kommt sehr oft noch die Mehrbelastung mit Haushalt, Kindern, eigenen Tieren und Familienangehörigen dazu, für Freundschaften oder Hobbies bleibt keine Zeit und ob die Fixkosten tatsächlich alle abgedeckt sind bzw. was zum Überleben bleibt, sieht man erst am Monatsende. Von Einkommen und gut leben ist bei vielen leider keine Rede.

Wen wundert es, dass es da manchen zu viel wird? Tierbesitzer merken wahrscheinlich nur, dass der Doktor „heute aber schlecht drauf war“.

 

Wer in unserem Versicherungsverwöhnten Gesundheitssystem mal privat beim Arzt war oder nur wenig von der Kasse rück erstattet bekommt, der weiß, dass ärztliche Leistungen etwas kosten. Und im Vergleich zu anderen Berufsgruppen, ist das tierärztliche Honorar definitiv NICHT an oberster Stelle.

Achja, unsere Arbeit hört nicht beim Verlassen der Ordi auf, denn manchmal gibt es den einen oder anderen Fall, wo man grübelt und KollegInnen fragt, was man denn noch versuchen könnte, um dem Tier zu helfen. Oder die Euthanasie eines langjährigen Patienten, den man lieb gewonnen hat. Oder andere tragische Geschichten. Geregelte Arbeitszeiten, Urlaubsgeld, Krankenstand, Karenz fallen in der Selbständigkeit sowieso flach. Wehe, wenn man nicht 24/7 erreichbar ist.

 

Allen Tierbesitzern möchte ich ans Herz legen, sich vor Anschaffung eines Tieres zu überlegen, ob man auch das Geld für die Betreuung im Krankheitsfall hat/ansparen kann. Freundlich und nett zum Tierarzt zu sein, WErtschätzung zu zeigen, sich die Rechnung gerne erklären lassen, aber nicht gleich drauf los schimpfen, sind einige Beispiele, die den Alltag angenehmer machen. Und bei Krankheitszeichen bitte nicht zu lange warten, um dann im Notdienst mit „Durchfall seit 4 Tagen“ zu stehen und sich dann über die dreifachen Kosten zu wundern…

 

Abschließend sei gesagt: Dieser Blog soll kein Ausjammern oder Beschuldigen sein, sondern einen kleinen Einblick geben, worüber nicht gesprochen wird und wie es manchen meiner KollegInnen geht. Ich liebe meinen Beruf trotz aller Widrigkeiten und Hürden, ich bin dankbar für meine vielen, wirklich superlieben Kunden und Patienten und freue mich, wann immer ich einem Tier mit meiner Arbeit mehr Lebensqualität schenken konnte.

 

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