Time to say Goodbye

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Time to say Goodbye

Time to say Goodbye

„Wenn die Sonne des Lebens untergeht, leuchten die Sterne der Erinnerung.“
Abschied nehmen bedeutet für jeden etwas anderes. Ein Loslassen können in Frieden kann den endgültigen Abschied zum größten Geschenk machen. Der Tod birgt eine eigene Faszination und Schönheit in sich, die vielen Menschen aus Angst davor verborgen bleibt.

 

Eigentlich sollte hier an dieser Stelle ein anderer Beitrag stehen, und das schon vor einer Woche…eigentlich. Aber hin und wieder zeigt einem das Leben, dass es nicht immer nach dem Plan geht, den wir uns in den Kopf setzen.

 

Da steht er, den Kopf hängen lassend, weg von mir, die Schmerzmittel, die er die letzten Monate brav genommen hatte, verweigernd. Er, der immer allen gefallen und alles recht machen wollte, signalisiert mir, dass es so weit ist.

Er, das ist mein Pferd „Monti“, den ich seit seiner Geburt kenne, der mich über 21 Jahre begleitet hat, die Spätfolgen seiner Verletzung mit 4 Jahren sein restliches Leben lang geduldig ertragen hat, zu allen stets freundlich und lieb war, auch meinen Kindern und Fremden gegenüber. Ein Ausnahmehengst bis zum Schluss, der gemeinsam mit meinem Wallach gespielt hat, mit ihm Zeit auf der Koppel verbracht hatte und stets arbeiten wollte.

Diese Entscheidung zu treffen, war nicht leicht. Auch wenn sich sein Zustand langsam über lange Zeit verschlechtert hat, waren es in den letzten Jahren noch immer mehr gute Tage als schlechte. Bis sich vor 7 Monaten das Blatt gewendet hat, es bergab ging, Schmerzmittel nur bedingt Besserung brachten, ein Röntgenbild das wahre Ausmaß des Schadens nur erahnen ließ.

 

Jetzt war es also so weit. Auch uns Tierärzte trifft es, wenn wir selbst Tiere haben. Auch für uns ist es nicht leicht. Dank meiner umfassenden Ausbildungen und meiner persönlichen Lebenserfahrung und meines inneren Wissens habe ich einen etwas anderen, erweiterten Blickwinkel auf manche Dinge des Lebens und habe beschlossen, mich ganz bewusst auf diesen Prozess mit meinem Seelen- oder Herzenspferd, einzulassen. Voll und ganz, ohne Kompromisse, ohne Ausreden, ohne dagegen an zu kämpfen.

Da gab es schlichte organisatorische Dinge. Die „nüchterne“ Seite: Termin mit dem Kollegen ausmachen, Stallbesitzer informieren zwecks Abholung durch die TKV, Pferdepass suchen, jemand finden, der noch Erinnerungsstücke aus den Haaren anfertigt, einigen wenigen Leuten Bescheid geben, damit sie sich verabschieden konnten. Das unbedingt wissen wollen, wie das kaputte Bein aussah – auch das gehörte eingeplant…

Dann gab es die andere Seite. Ich wusste, es sollte ein stiller Abschied sein, ich wollte niemanden dabeihaben (außer meinen Kollegen, da ich durch meine Nicht-schulmedizinische Tätigkeit weder die Medikamente noch die Erfahrung mit den richtigen Dosierungen habe). Es sollte später am Abend sein, in der Hoffnung, dass Ruhe im Stall ist. Ich wollte auch kein Mitleid, keine gut gemeinten Kommentare.

 

Und dann verging sie, Tag für Tag, die letzte Woche. Bewusst füttern, bewusst putzen, bewusst streicheln, da sein, spüren, anlehnen und kuscheln. Die eigene Trauer, das Wissen, dass es der richtige Moment ist, das Vertrauen auf das eigene Gefühl und die Bestätigung durch eine Freundin, die mir mit ihrer Gabe schon oft zur Seite gestanden ist. Auch genau das Gegenteil bekam ich noch zu hören, dass es zu früh sei… doch ich war mir zu 100% sicher. Niemand kennt mein Lebenspferd besser als ich selbst. Niemand außer mir konnte diese Nuancen in seinem Verhalten mir gegenüber erkennen. So manche Träne floss also im Stillen, ungesehen. Von Tag zu Tag wurde ich ruhiger.

Eines Abends setzte ich mich bewusst hin, und verglich die Lebensgeschichte meines Pferdes mit meiner eigenen, seinen Charakter, seine Stärken und Eigenschaften mit den meinen. Ich sah mir an, was er mir alles spiegelt, sah die Zusammenhänge, die Verbundenheit, das Bild des Großen Ganzen. Ein tiefes Verständnis, eine tiefe Dankbarkeit überkam mich. Plötzlich wusste ich, dass auch ich eines Tages Frieden mit meiner Geschichte schließen können werde, dass ich mehr Stärke habe und mehr schaffen kann, als ich mir manchmal zu traue und dass das Leben trotz Traumen schön sein kann. Bedingungslose Akzeptanz, alles ist gut, so wie es ist und wie es war. Das ist es, was der Tod uns lehrt. Tiefer Frieden in mir macht sich breit. Was nicht heißt, dass da keine Traurigkeit war und ist. Doch die Dankbarkeit und die Liebe und diese Schönheit darin stehen einfach drüber.

Zwischen meinem Pferd und mir ist quasi alles gesagt. Ein Wechselbad der Gefühle von einem Moment zum anderen. Alles darf da sein, alles hat Platz.

 

Dann war der Tag da. Das letzte Mal füttern, waschen, ein seltsames Gefühl. Es wurde Abend, es war so weit. Ich führte ihn zu dem Platz, er war ruhig und voller Vertrauen, er war bereit. Mein Kollege fragte mich, ob ich es selbst machen wollte. Ja, das war ich ihm schuldig. So hatte er am wenigsten Stress, ich würde nah bei ihm sein, an seiner Seite, bis zum letzten Atemzug. Ich hatte ihn in seinem Leben oft etwas gespritzt, also nichts Ungewöhnliches, weder für ihn noch für mich.

Es war fast wie im Film, als er seine Nüstern an mich schmiegte, als ob er sagen wollte, dass alles gut sei. Nächster Schritt, die Narkose. Ich hatte viele Pferde „umfallen“ gesehen, aber doch nur wenige, so wie mein Pferd, die vorsichtig weg von den Menschen gingen, um sich, am Baum angelehnt, hinzulegen. Ganz ruhig und friedlich, entspannt. Und das binnen kürzester Zeit. Bis zum Schluss alles tun, um zu gefallen, so war er.

Und dann, kurz darauf, war er bzw. seine Seele endlich wieder frei, ohne Schmerzen, weg, begleitet von seinem Papa und seiner 4-beinigen Stall-Freundin, die ihm voraus gegangen waren, galoppieren sie gemeinsam über die endlosen Wiesen…

Neugierig, staunend, wie ein Kind, beobachtete ich und spürte, was im Körper geschah, der neben mir in der Wiese lag. Nein, der Tod ist nichts Schlimmes, wenn er bedingungslos akzeptiert wird. Er hat wirklich etwas Schönes, Faszinierendes, Friedliches, wenn man Loslassen kann.

 

Mein anderes Pferd durfte sich noch verabschieden (Titelbild des Beitrags). Dann sah ich mir den Fuß an, der ihm solche Schmerzen bereitete. Es war wie eine Bestätigung, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, die Erkenntnis, dass er wirklich weh gehabt haben muss, und warum die Schmerzmittel nur bedingt etwas ausrichten konnten.

Ich bin lange sitzen geblieben, bis die Wärme aus seinem Körper gewichen ist. Habe das weiche Fell und die Nüstern gestreichelt, mich angelehnt. Voll und ganz im Hier und Jetzt, alle anderen Dinge sind weit in die Ferne gerückt. Auch die Tage danach. Ich durfte alles in meinem Tempo machen, keiner war da, mein Kollege war sehr diskret und einfühlsam, hat uns wunderbar unterstützend begleitet.

Ja, ich durfte sogar dabei sein, als er abgeholt wurde. Zufällig, denn normalerweise kommt die TKV in der Früh vorbei und nicht mitten am Vormittag. Der Fahrer war nett und hat ihn behutsam hinterm Baum hervorgeholt und aufgeladen. Wer den Anblick nicht erträgt, der sollte sich bewusst machen, dass es nur der Körper, eine leere Hülle ist. Die Seele ist zuhause, frei und glücklich.

 

Ein großes Kapitel hat sich geschlossen, für immer. 21 Jahre – eine lange Zeit. Ich darf jederzeit darin blättern, in Erinnerungen schwelgen, wenn ich das möchte. Gleichzeitig geht mein Blick nach vorne. Es ist ungewohnt, „nur“ noch ein Pferd zu haben, nach all der Zeit. Ein gesundes, um das ich mir keine Gedanken machen brauche. Es ist, als ob ein Ballast abgefallen wäre, oder besser, als ob er eingetauscht worden wäre, in ein riesengroßes Geschenk. Es fühlt sich alles stimmig, richtig und passend an, so wie es war. Ich durfte viel Erkennen, wachsen und wieder einmal die Schönheit des Todes, des Höhepunkts nach einem gelebten Leben erkennen.

 

Bewusst wählte ich Stille und will keine Mitleidsbekundungen etc., auch wenn diese gut gemeint sind, um diesen Frieden, dieses volle präsent sein in mir aufzusaugen, zu genießen. Es bleibt nur Dankbarkeit und ein gutes Gefühl voll Liebe.

Viele Menschen haben heutzutage den Tod und oft auch Krankheit aus dem Leben verdrängt, er hat keinen Platz, wird als schreckliche Bedrohung und tragisches Ereignis betrachtet. In der immer schneller werdenden hektischen Zeit ist scheinbar kein Platz für Stille, Innehalten und Innenschau. Dabei ist der Tod genau das Gegenteil. Ein traurig-schönes Geschenk, Transformation, Wachstum, bedingungslose Liebe, Faszination und Schönheit – wenn man bereit ist, sich voll und ganz auf ihn einzulassen. Nichts bringt einem dem Leben näher als der Tod.

 

In diesem Sinne, „run free“, Seelen-/Herzenspferd !

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