Der Stumme Schrei der Pferde

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Der Stumme Schrei der Pferde

Der Stumme Schrei der Pferde

Tierkommunikation ist nach wie vor in Mode. Wenn man nicht weiter weiß, dann holt man jemanden, der einem sagt, ob das Pferd was braucht. In der Regel erfährt man dann, welche Decke sich das Pferd wünscht oder welches Futter, manchmal noch was über die Box oder den Boxennachbarn. „Er möchte lieber auf das Paddock als auf die Koppel“. „Er hat so unerträglich starke Schmerzen.“ (Anmerkung: nach der Kastration, tierärztlich betreut).

 

Ich frage mich, was das wirklich mit Tierkommunikation zu tun hat? Das ist doch nur nettes Gebrabbel, das die Leute hören wollen. Wenn jemand hingegen sagen würde, wie sehr der Magen und der Rücken schmerzen, die Beine weh tun, dass der arme Gaul nicht mehr weiß, welchen Fuß er entlasten soll, der Sattel und der Reiter die Ursache für permanentes Leiden und die zugefügten Schmerzen sind, dann würden vermutlich alle aufschreien, was da für Lügengeschichten über ihr liebes braves Pferdchen erzählt werden, geschweige denn, dass man Ausrüstung und Können in Frage stellt (sei es des Besitzers oder des Trainers).

 

Pferde haben keinen Schmerzlaut. Manchmal stöhnen sie, leise und kaum hörbar. Sie laufen weiter, unter Schmerzen. Sie bleiben sanft und freundlich, dem Menschen wohlgesonnen. Auch wenn derjenige am Zügel im empfindlichen Maul reißt, die Sporen in die Flanken sticht, ihm in den Rücken fällt. Sie kommen dennoch mit gespitzten Ohren zum Leckerbissen, auch wenn der Magen danach brennt oder das Knotenhalfter auf die empfindlichen Stellen drückt.

 

Beobachten Sie doch einmal in dem Stall, in dem Sie reiten: wie viele Reiter kommen mit minimaler Ausrüstung aus und können ihr Pferd so gymnastizieren, dass es davon keinen Schaden nimmt? Dazu zählen Stallhalfter, Sattel, Zaumzeug mit Wassertrense, Reithalfter ohne Sperriemen. Wer kann sein Pferd ohne Sporen und Gerte reiten, ohne Rollkur, in natürlicher Aufrichtung und positiver Spannung? Wer hat eine passende Ausrüstung und bemüht sich, diese regelmäßig zu überprüfen/überprüfen zu lassen? (Anmerkung: das ist oft gar nicht so einfach, da in vielen Geschäften zwar Sättel verkauft, aber niemand für weitere Überprüfung bzw. Anpassung zuständig ist, oder über das nötige Wissen verfügt). Wer verschnallt die Trense korrekt? Und was heißt überhaupt „korrekt“?

Wer holt regelmäßig den Schmied und den Pferdezahnarzt? Holen die meisten nicht lieber den Osteopathen oder Chiropraktiker, der dann schnell mal alles gleich biegen soll, was mangelhafte, unpassende Ausrüstung und Reitkenntnisse kaputt gemacht haben? Haben Sie im Kopf, wie das Bild eines korrekt gymnastizierten Pferdes aussieht und im Vergleich dazu die Pferde, die die falschen Muskeln gebrauchen?

Wer macht sich Gedanken, ob das Heu den gesamten Nährstoffbedarf deckt? Wer beachtet, dass ein Pferd kaum Krippenfutter braucht, da es meist keine Hochleistung erbringen muss oder keinen erhöhten Bedarf hat (wie Deckhengste in der Saison, trächtige/laktierende Stuten)?

Wer beobachtet, ob das Pferd seine Boxennachbarn mag oder in der Herde gemobbt wird/Stress hat und deswegen Gewicht verliert oder unter Spannung steht?

Wer beherzigt die Regelungen bezüglich Boxengröße, Auslauf, artgerechter Haltung (Sozialkontakte, Fütterung, Bewegung…)?

Wer schaut einem Pferd ehrlich in die Augen, wie es ihm wirklich geht (Schmerzgesicht)?

Wer nimmt sich heutzutage noch die Zeit, ein Pferd über Jahre hinweg auszubilden? Die meisten müssen binnen weniger Wochen/Monate „turnierfertig“ sein, v.a. in der Westernreitszene werden junge Pferde besonders schnell und intensiv trainiert. Nur wenige sind in höherem Alter noch auf Turnieren zu finden.

Welche Reiter sind bestrebt, an ihrem Sitz zu arbeiten? Sich jedes Mal selbst an der Nase zu nehmen und die Fehler bei sich zu suchen, und nicht dem Pferd die Schuld zu geben?

Wer träumt nicht vom feinen Umgang, unsichtbarer Hilfengebung und der feinen Kommunikation mit seinem Pferd? Aber lernen will es keiner, denn das bedeutet lebenslange Arbeit an sich selbst, Training außerhalb des Reitstalls, um mehr Beweglichkeit zu erreichen, Geduld und Fairness zu seinem Partner Pferd.

Und letztendlich: Wer hat den Mut, tierschutzrelevante Themen wie Rollkur, zu enge Nasenriemen, ständiges Einsetzen der Sporen, harte Hände an blanken Kandaren etc. anzusprechen?

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